„Angst vor Online-Gegenreaktionen tötet Kreativität“ Ein Plädoyer von zwei Pariser Agenturen für mehr Wagemut und Authentizität 

Dieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 1 des Magazins Agency Life, das im Juli veröffentlicht wurde. Wir sind derzeit damit beschäftigt, Ausgabe 2 zu produzieren. Das Magazin wird im Januar 2025 veröffentlicht und Sie können es hier vorbestellen.

„Don’t buy this jacket.“ „Just do it.“ Kreative Kampagnen, die mit wenigen Worten auskommen, bleiben oft am längsten hängen. Doch die Digitalisierung setzt die Kreativagenturen unter Druck. Wie stellen sie die Kreativität in den Vordergrund und wie nehmen sie die Kunden mit?

Unsere Experten

  • Aurélien Painchaud, stellvertretender Direktor von Havas & Compagnies, einer in Paris ansässigen Kommunikationsagentur für KMU und Familienunternehmen.
  • Éric Tong Cuong, Managing Director und Gründer von La Chose, einer unabhängigen Kreativagentur aus Paris. 

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf Kreativagenturen aus? 

Aurélien: „Erstens haben die Verbraucher mehr Macht gewonnen. Diese Entwicklung begann mit dem Aufkommen des Internets und die sozialen Netzwerke haben den Effekt noch verstärkt. Die Folgen: Marken orientieren sich stärker an den Interessen und Erwartungen der Verbraucher. Gleichzeitig wird der immer schlauer und damit anspruchsvoller.“

„Unternehmen erzählen dem Verbraucher zunehmend, was er erwartet, und nicht das, was sie wirklich sagen wollen.“
Aurélien Painchaud, stellvertretender Geschäftsführer von Havas et Companies

Aurélien: „An sich ist das positiv, aber es gibt auch eine Kehrseite. Die Unternehmen erzählen dem Verbraucher zunehmend, was er erwartet oder will, und nicht das, was sie wirklich sagen wollen. Marken müssen daher transparent und aufrichtig sein. Nur so können sie sich ein treues Publikum aufbauen. Unsere Branche spielt eine wichtige Rolle dabei, den Werbetreibenden zu verdeutlichen, dass Authentizität unerlässlich ist.“

Éric: „Auf diesem Gebiet ist noch einiges zu tun. Marken haben eine Höllenangst, Risiken einzugehen. Eine Kampagne kann schon mal Gegenwind bekommen und aus negativen Gründen viral gehen. Aber diese Angst tötet Kreativität und Aufrichtigkeit. Wir investieren keine Millionen in kreative Werbung mit dem Ziel, dass sie nirgends aneckt.“

Wie überzeugen Sie dann Ihre Kunden, Risiken einzugehen? 

Aurélien: „Ich denke, wir als Branche müssen uns wieder auf das Wesentliche besinnen. Die Art und Weise, wie wir Ideen verkaufen, ist nicht im Gleichgewicht. Oft geht es um eine Vielzahl von Kanälen und Inhalten – und darum, was wir wo verbreiten wollen. Wir müssen wegkommen von dieser Komplexität und zurückkehren zur Einfachheit der Idee.“

„Es gibt immer noch Unternehmen, die denken, das Internet sei quasi kostenlos, also sollten wir viel für wenig Geld machen.“
Éric Tong Cuong, Managing Director und Gründer von La Chose 

Éric: „Diese Einfachheit ermöglicht den Agenturen auch, sich mehr auf Qualität zu konzentrieren. „Es gibt nämlich immer noch Unternehmen, die denken, das Internet sei quasi kostenlos, also sollten wir viel für wenig Geld machen.“ Aber wenn wir uns Kampagnen ansehen, die viral gehen, folgen sie oft dem gleichen Muster: eine geniale Idee, die sehr klar herübergebracht wird. Das sollte immer das Ziel sein, ob online oder offline.“

Wo liegt eurer Meinung nach die Zukunft der Kreativagenturen? 

Éric: „Organisationen und Unternehmen verlassen sich zunehmend auf den Kreativsektor, um Verhaltensänderungen zu bewirken, anstatt den Verbrauch anzukurbeln. Schon im Hinblick auf die Nachhaltigkeit werden wir alle unser Verhalten radikal ändern müssen. Es warten also enorme Möglichkeiten auf Kreativagenturen, um daran zu arbeiten. 

Éric: „Kreative Kampagnen können wirklich etwas bewirken, aber dann dürfen wir uns nicht mit dem zufriedengeben, was die Verbraucher hören wollen. Denn Verhaltensänderungen stoßen anfangs immer auf Widerstand. Es liegt an uns, uns nicht mit dem Status quo zufriedenzugeben.“

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