Das Ende der abrechenbaren Stunde? 6 Preismodelle auf dem Prüfstand

Sind die Zeiten der „abrechenbaren Stunde“ bald für immer vorbei? Welche Vorteile haben andere Modelle und welche Haken kann es haben, zu experimentieren? Wie wir in der Wüste der Preisgestaltung die Orientierung verlieren und den Weg zurück finden.

Dieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 1 des Magazins Agency Life, das im Juli veröffentlicht wurde. Wir sind derzeit damit beschäftigt, Ausgabe 2 zu produzieren. Das Magazin wird im Januar 2025 veröffentlicht und Sie können es hier vorbestellen.

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Sind Agenturen innovativ und experimentierfreudig genug, wenn es um die Preisgestaltung geht? Michael Farmer äußert sich dazu in diesem Blog. Und in Belgien haben die drei belgischen Branchenverbände ACC, Pitchpoint und UBA die Publikation „Remunerating for success“ veröffentlicht. Darin gehen sie im Detail auf verschiedene Preisgestaltungsmodelle ein. Wir lüften einen Teil des Schleiers.

Die 6 gängigsten Preismodelle

Kostenbasierte Preismodelle

Das Modell basiert auf den Kosten, die der Agentur bei der Bearbeitung eines Projekts entstehen. Natürlich geht es hierbei vor allem um die Zeit, die das Team braucht, aber auch andere Kosten kommen ins Spiel: die Miete für eine Videoausrüstung zum Beispiel. Was die Stunden betrifft, arbeiten Agenturen oftmals mit einer Preisliste. Jedes Kompetenzprofil der Agentur hat einen bestimmten Stundensatz. All das wird auf der Grundlage von Löhnen und Gehältern, Gemeinkosten, erwarteter Abrechenbarkeit, Gewinnspanne usw. kalkuliert.

1. Abrechnung nach Stunden

Was? Ein gängiges Modell in Agenturen: Die Abrechnung erfolgt auf der Grundlage der geleisteten Stunden. 

Könnte besser sein, denn es fördert nicht wirklich die Effizienz auf Agenturseite. Wenn die Arbeitslast bei einem Kunden erheblich steigt oder sinkt, besteht die Gefahr, Kapazitäts- oder Terminprobleme zu bekommen. 

Praktisch, denn die Berechnung von Stunden – und damit die Anwendung dieses Modells – ist ein Kinderspiel. Agenturen und Kunden, die lieber nicht zu viel Risiko eingehen, kommen mit diesem Modell gut zurecht. Einfach anzuwenden und transparent. 

Das ist zu beachten: Die korrekte Erfassung von Stunden, zum Beispiel über Stundenzettel, ist von entscheidender Bedeutung, um den Überblick über geleistete und in Rechnung gestellte Stunden zu behalten. Aber wie geht die Agentur mit Stunden um, die nicht abgerechnet werden können, zum Beispiel für das Onboarding? Und umgekehrt gilt: Wer auf Stundenbasis arbeitet, legt seine eigene Preisobergrenze fest. Denn was ist mit Arbeiten, die nicht viel Zeit beanspruchen, aber für den Kunden extrem wichtig und wertvoll sind? In diesem Modell lässt sich das nicht ohne Weiteres teurer anbieten. 

Agenturen wenden viel mehr Stunden auf, als sie in Rechnung stellen. Diese und andere Unzulänglichkeiten eines Preismodells auf Stundenbasis sprechen auch Valérie Herbert (Group CFO Springbok Agency) und Dick van der Lecq (Agenturberater bei BoardSupporter) an. Welche Preismodelle bevorzugen sie?

2. Retainer

Was? Der Kunde zahlt für ein spezielles Team der Agentur oder überweist ein festes monatliches oder jährliches Honorar für ein vereinbartes Servicepaket. Jede Seite weiß, was sie von der anderen erwarten kann. Das Vertrauen zwischen Werbetreibenden und Agentur ist entscheidend: Nicht jede geleistete (oder nicht geleistete) Stunde muss gerechtfertigt werden. 

Könnte besser sein, denn er fördert nicht gerade die Effizienz auf Kundenseite und kann sich unflexibel anfühlen. Der Stundenaufwand der Agentur stimmt nämlich nicht immer mit der ursprünglichen Schätzung überein. Bei einem zu hoch angesetzten Retainer kann sich ein Kunde betrogen fühlen. Ist er zu niedrig, verliert die Agentur Geld. Vor allem, wenn keine angemessenen Vorkehrungen für eine regelmäßige Überprüfung des Retainers getroffen wurden.

Praktisch, denn die Einnahmequelle der Agentur ist gesichert. Periodische Zuflüsse zum Cashflow: der heilige Gral jeder Agentur. Auch auf Kundenseite herrscht Klarheit über die finanzielle Situation: Ihr Kunde hat sein Budget immer gut im Blick. Dieses Modell vereinfacht zudem die Kapazitäts- oder Personalplanung und öffnet die Tür zu langfristigen strategischen Kooperationen. 

Das ist zu beachten: Agentur und Kunde sollten ihr Engagement für eine langfristige Zusammenarbeit klar zum Ausdruck bringen. Auch wichtig: Agenturarbeit und -budget ständig optimieren und kritisch überprüfen. 

Der Retainer ist nach wie vor ein unheimlich beliebtes Modell: Unser Teamleader Agency Benchmark zeigt, dass stolze 73 % der europäischen Agenturen dieses Modell nutzen. 

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Output-basierte Preismodelle

Das Modell basiert auf der Lieferung bestimmter Deliverables in einem vorher festgelegten Umfang. Die Agentur schätzt ab, wie viel Arbeit ein Projekt kostet, welche Prozesse dazugehören, welche Methodik sie handhabt und so weiter.

3. Auf Projektbasis

Was? Die Agentur wird für eine vorher vereinbarte Reihe von Leistungen bezahlt. Der Kunde zahlt für den Output (nicht für geleistete Stunden).

Könnte besser sein, denn oft ändert sich der Umfang eines Projekts während der Durchführung oder es kommen zusätzliche Aufgaben hinzu. Erweitert jemand den Projektumfang? Kann der Preis dann nicht einvernehmlich neu festgelegt werden, leidet die Agentur unter einem finanziellen Kater.  

Praktisch, denn es handelt sich um klar umrissene, leicht zu definierende und zu quantifizierende Aufgaben, für die wir einen angemessenen Preis verlangen können.

Das ist zu beachten: Der Projektumfang sollte von Anfang an mit dem Kunden festgelegt werden. Falls sich der Umfang ändert, ist ein Budgetgespräch unter Erwachsenen mit dem Kunden nötig. 

4. Kommission oder Provision

Was? Der Kunde zahlt eine Provision oder Gebühr, die auf einem festen Prozentsatz der Medien- und Produktionskosten beruht. Dieses Modell war früher besonders interessant und weit verbreitet bei Agenturen. Als Gegenleistung für die Provision konnten Agenturen zum Beispiel schöne Rabatte mit den Medien aushandeln. In jüngster Zeit ist das Modell jedoch weniger üblich geworden. Viele Kunden sind nicht mehr bereit, auf die Prozentsätze für große Medienausgaben zu verzichten. Und die großen Agenturrabatte auf Medien sind stark zurückgegangen.    

Könnte besser sein, denn der größte Gewinn entsteht eigentlich der Agentur. Die gewinnt nämlich sowieso bei einem höheren Budget. Und das führt dazu, dass die Agentur nicht immer neutral ist, was beispielsweise die Wahl der Medien betrifft. Aber das Modell macht die Agentur auch angreifbar: Kunden können Mediaausgaben aus allen möglichen Gründen stornieren. Und dann ist die Provision ebenfalls futsch. Und die schöne Marge …  

Praktisch, denn für Agenturen ist das eine gute und einfache Methode, neben der strategischen oder kreativen Arbeit eine Marge zu erzielen. Das Modell ist zudem für Agentur und Kunde klar und leicht zu berechnen, setzt allerdings ein großes Maß an Vertrauen zwischen beiden voraus.

Das ist zu beachten: Auf Mediaprovision zu arbeiten, kann lukrativ sein. Es darf aber nicht von dem ablenken, was wirklich zählt: der reinen Qualität der Arbeit. 

Auf Geschäftsergebnissen basierende Preismodelle

Dein Modell basiert auf deiner Wertschöpfung für einen Werbetreibenden und dessen Ergebnissen. Eine wertorientierte Preisgestaltung, mit anderen Worten. Interessant, aber auch komplex. Schlüsselelemente dieses Modells: Wie bestimmst du diesen Wert? Welche KPIs werden verwendet? Anhand welcher Rahmenbedingungen misst du die Leistung?

5. Performance

Was? Variables Honorar auf der Grundlage vereinbarter Erfolgskriterien. Abhängig vom Ergebnis und der Fähigkeit einer Agentur, die Geschäftsentwicklung eines Werbetreibenden zu beeinflussen. Dient oft zur Lösung eines Geschäftsproblems oder zur Umsetzung einer Firmenumwandlung.

Könnte besser sein, denn die Variablen, die die Ergebnisse eines Kunden beeinflussen, sind komplex und zahlreich. Wie wird der Erfolg gemessen? Und wie führt die Agentur diesen Erfolg auf ihre Arbeit zurück? 

Praktisch, denn Werbetreibender und Agentur arbeiten auf ein gemeinsames Ziel hin. Je nach Vereinbarung kann der potenzielle Nutzen für beide Seiten unbegrenzt sein. 

Das ist zu beachten: Eindeutige KPIs festzulegen und zu kontrollieren, ist bei diesem Modell von entscheidender Bedeutung. Und es sollten nicht zu viele sein, sonst wird es sehr arbeitsintensiv oder aüßerst kompliziert. 

Wertorientierte Preisgestaltung: Zukunftsmusik? 

Ganz und gar nicht, sagt der Teamleader-Agentur-Benchmark. 42 % der Agenturen sind bereits im Boot, 32 % würden gerne damit beginnen. Diese und viele andere Erkenntnisse stehen in unserer Benchmark-Übersicht

6. Beteiligung

Was? Ein Kooperationsmodell auf Basis einer Beteiligung. Wird häufig von Start-ups genutzt, die noch nicht über die Mittel verfügen, um Agenturen zu bezahlen. 

Könnte besser sein, denn es ist nicht ohne Risiken. Der Kunde kann Schiffbruch erleiden, was auch für die Agentur steuerliche und juristische Folgen haben kann. Es gibt keinen Cashflow zur Deckung der Agenturkosten. Und außerdem: Kann die Agentur aussteigen und zu welchen Bedingungen? 

Praktisch, denn Kunden- und Agenturziele decken sich. Und wenn alles gut läuft, hat dieses Modell unbegrenzte Vorteile. Die Agentur baut eine langfristige Beziehung zu ihrem Kunden auf und ist oft mit am Ruder, wenn es darum geht, strategische Entscheidungen zu treffen. Läuft die Firma? Dann profitieren beide Parteien davon. 

Das ist zu beachten: Kann nur funktionieren, wenn sowohl der Kunde als auch die Agentur nicht risikoscheu sind.

Viele Modelle. Viele Faktoren. Viele Infos. 
Willst du tiefer schürfen? 

Du hast einige Modelle kennengelernt. Jedes hat seine Vor- und Nachteile. Dennoch bleibt die Preisgestaltung ein Balanceakt zwischen zig Faktoren. Von der Risikobereitschaft auf Agentur- und Kundenseite bis hin zu deinen kurz- oder langfristigen Zielen oder der Art der Zusammenarbeit, die du eingehen möchtest. Willst du allen Variablen auf den Grund gehen? Dann verweisen wir auf unten erwähntes Dokument. Viel Erfolg damit!

Dieser Link führt dich zum Text „Remunerating for success“ von ACC, Pitchpoint und UBA (auf Englisch). Sie haben diese Modelle noch ausführlicher beschrieben. Tortendiagramme inbegriffen. Lecker!

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